Die Anziehung zu Menschen, die scheinbar nicht gut für uns sind, kann komplex sein und von einer Vielzahl psychologischer und emotionaler Faktoren beeinflusst werden.
Irgendwann in unserem Leben finden sich die meisten von uns in Beziehungen mit Menschen wieder, die scheinbar überhaupt nicht unseren Erwartungen entsprechen. Egal, ob es sich um jemanden handelt, der nicht die gleichen Leidenschaften teilt, dem es an Sensibilität mangelt, der übermäßig sensibel ist oder dessen Aussehen nicht zu uns passt, es kann jedem von uns passieren. Das eigentliche Problem entsteht jedoch, wenn die Frage nach dem „Warum“ in einer Beziehung nach der anderen immer wieder in unsere Gedanken eindringt.
Wir könnten dies auf Pech zurückführen oder uns selbst davon überzeugen, dass es etwas in uns gibt, das diese Art von Beziehungen anzieht.
Die Realität ist jedoch, dass es einen Grund gibt, warum wir uns oft zu Menschen hingezogen fühlen, die offensichtlich nicht zu uns passen. Laut der Ehe- und Familientherapeutin Shelly Bullard ist dies auf die Tatsache zurückzuführen, dass die am stärksten geschädigte und verletzteste Version von uns selbst diejenige ist, die die Entscheidungen trifft.
Mit anderen Worten: Es ist möglich, dass vergangene Erfahrungen, nicht verheilte emotionale Wunden oder negative Beziehungsmuster unsere romantischen Entscheidungen beeinflussen. Die Wiederholung dieser Muster kann darauf hindeuten, dass der Teil von uns, der Entscheidungen im Bereich Beziehungen trifft, von Aspekten unserer Vergangenheit beeinflusst wird, die möglicherweise tiefere Aufmerksamkeit und Heilung benötigen. Das Verständnis dieser Motive kann der erste Schritt sein, um in Zukunft bewusstere und ausgewogenere Beziehungsentscheidungen zu treffen.
Shelly Bullard vertritt die Idee, dass wir zwei unterschiedliche Aspekte in uns tragen: das „kleine Selbst“ oder das verletzte Ego und das „spirituelle Selbst“ – das höhere Selbst, das erwachsene Selbst oder sogar die Seele. Ihrer Meinung nach repräsentiert das „verwundete Selbst“ den Teil von uns, der unvollständig zu sein scheint. Er stellt seinen eigenen Wert in Frage, verspürt das Gefühl der Unvollständigkeit und fühlt sich möglicherweise auf die eine oder andere Weise wie ein Versager.
Im Gegensatz dazu gilt das „spirituelle Selbst“ als das höhere Selbst, verbunden mit Liebe, Wahrheit, Weisheit und innerem Frieden. Diese Facette unseres Wesens ist mit höheren Aspekten des Bewusstseins verbunden. Unser spirituelles Selbst stellt unseren Wert nicht in Frage. Er hat eine tiefe Gewissheit über unsere liebenswerte und kostbare Natur. Mit anderen Worten: Es ist sich des inneren Reichtums und inneren Wertes bewusst, den wir in uns tragen.
Hier sind fünf mögliche Gründe, warum wir uns zu Menschen hingezogen fühlen, die nicht zu uns passen:
1. Chemische Anziehung
Manchmal basiert die anfängliche Anziehung auf chemischen Signalen wie Pheromonen, die unsere Wahrnehmung und Anziehung zu jemandem beeinflussen können, auch wenn andere Aspekte der Kompatibilität nicht offensichtlich sind.
2. Wiederholung familiärer Muster
Manchmal fühlen wir uns zu Menschen hingezogen, die Familienfiguren ähneln, auch wenn diese Ähnlichkeiten für uns nicht von Vorteil sind. Dies hängt möglicherweise mit emotionalen und Beziehungsmustern zusammen, die wir in unserer Kindheit entwickelt haben.
3. Ungelöste Probleme müssen gelöst werden
Manche Menschen fühlen sich zu Menschen hingezogen, die ähnliche Eigenschaften oder Probleme haben wie sie selbst, vielleicht in der unbewussten Hoffnung, diese Probleme durch die Beziehung zu lösen.
4. Angst vor Bindung
Manchmal fühlen wir uns zu Menschen hingezogen, die nicht bereit für eine ernsthafte Beziehung zu sein scheinen, weil dies ein unbeabsichtigter Vorwand sein kann, um echtes Engagement oder emotionale Verletzlichkeit zu vermeiden.
5. Anziehungskraft des Verbotenen oder des Neuen
Manche Menschen fühlen sich zu Partnern hingezogen, die etwas anderes oder im Widerspruch zu dem stehen, was sie kennen. Das kann zunächst spannend sein, kann aber auch zu langfristigen Konflikten führen, wenn grundsätzliche Unterschiede bestehen bleiben.
Diese Gründe gelten jedoch nicht unbedingt für jeden, und jeder Mensch ist einzigartig. Menschliche Beziehungen sind komplex und Anziehung kann das Ergebnis einer Kombination vieler bewusster und unbewusster Faktoren sein. Manchmal ist es hilfreich, einen Schritt zurückzutreten und über unsere Beziehungsentscheidungen und Motivationen nachzudenken, um zu verstehen, warum wir uns zu bestimmten Menschen hingezogen fühlen.
Aber täglich navigieren wir zwischen zwei Facetten unseres Seins. Der Standpunkt des Ego oder des „kleinen Selbst“ weckt in uns tendenziell Gefühle der Minderwertigkeit, der Bedeutungslosigkeit und sogar der Ohnmacht und stürzt uns so in einen ständigen Kampf gegen diese Emotionen.
Das Ego sucht oft nach Bestätigung durch materielle Mittel und glaubt, dass das Glück darin liegt, mehr Güter zu erwerben (Geld, einen besseren Job, einen idealen Partner, ein größeres Haus), aber dieses Streben bleibt unersättlich. Es liegt in der Natur des Egos, ständig Mangel zu empfinden und so ein ständiges Bedürfnisgefühl zu erzeugen.
Im Bereich romantischer Beziehungen wird das Ego besonders aktiviert, denn Beziehungen neigen dazu, tiefen Schmerz neu zu entfachen.
Emotionale Wunden aus früheren Beziehungen können unsere aktuelle Einstellung beeinflussen. Bullard erklärt, dass unser Unterbewusstsein darauf programmiert ist, Menschen anzuziehen, die diese Wunden reaktivieren, was überraschenderweise eine Chance für persönliches Wachstum sein kann.
Wenn wir in einer Beziehung verletzt werden, ist es üblich, dass wir diesen Schmerz mit uns herumtragen. Daher neigen wir dazu, Menschen anzuziehen, die dieselben Wunden widerspiegeln. Bullard erklärt dieses Phänomen, indem er betont, dass unser Unbewusstes versucht, diese Erfahrungen zu wiederholen, um uns die Möglichkeit zu geben, zu wachsen.
Der Heilungsprozess beginnt also mit dem Erkennen und Konfrontieren emotionaler Wunden. Wir müssen diese schmerzhaften Gefühle fühlen und verstehen, um den Heilungsprozess beginnen zu können. Die Lösung dieser emotionalen Wunden wird dann zu einem wesentlichen Weg zu persönlichem Wachstum und emotionalem Wohlbefinden.
Wie können wir also diesen Kreislauf durchbrechen, der manchmal schädlich sein kann?
Laut Bullard liegt der Schlüssel in der Identifikation mit unserem höheren Selbst. Es besagt, dass unser höheres Selbst die grundlegende Wahrheit über uns selbst besitzt: Es weiß, dass wir würdig, unglaublich, fähig und mächtig sind. Durch die Perspektive des höheren Selbst werden wir als vollständig angesehen.
Indem wir diese Sichtweise übernehmen, wird uns plötzlich klar, dass all die Begegnungen mit Menschen, die wir für „schlecht“ hielten, eine entscheidende Rolle dabei spielten, uns in die richtige Richtung zu weisen. Es ist eine Mentalität, die unseren inneren Wert nicht beeinträchtigt. Bullard ermutigt dazu, unsere Beziehungen von innen heraus zu heilen, und betont, dass manchmal nichts unser Wachstum mehr stimuliert als Herzschmerz.
Wenn wir also unser höheres Selbst annehmen und unseren eigenen Wert erkennen, sind wir besser gerüstet, negative Beziehungsmuster zu überwinden. Innere Heilung wird dann zu einem starken Katalysator für unsere persönliche Entwicklung und verwandelt schmerzhafte Erfahrungen in Chancen für Wachstum und Selbstfindung.